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Als Seniorexperte in einem indischen Unternehmen – ein Interview mit unserem ehemaligen Kollegen Dr. Günter Kranke

Studium · 29. April 2016 · Technisches Design ·
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Unser ehemaliger Kollege Priv.-Doz. Dr. Günter Kranke gestaltet seinen Ruhestand aktiv: als Seniorexperte hilft er einem indischen Unternehmen in Themen, die er bis 2012 beim Technischen Design an der TU Dresden lehrte. Anfang April führten wir mit ihm ein Gespräch über seine Erfahrungen.

Vieles wurde in diesem Interview erzählt! In einem lockeren Gespräch erzählte uns Günter Kranke von seinen Erfahrungen als SES (Senior Experten Service) bei einem indischen Maschinenhersteller und was er dort als Designexperte getan und unternommen hat, welchen Eindruck er von den Abläufen und Ausstattungen der Firma gewonnen hat, wie weit dort Designmethoden wahrgenommen und umgesetzt werden. Lesen Sie dazu das Interview.

Was ist der SES (Senior Experten Service) und wer kann ihn nutzen?

Es ist eine Stiftung, die von großen  deutschen Industrieverbänden wie VDMA und VDI  gegründet worden ist. Die größte Hilfe kommt als Budget vom Entwicklungsministerium, die die Arbeit der Senior Experten finanziell unterstützt.

Die Senior Experten machen diese Dienstleistung  ehrenamtlich. Sie sind Experten, die aus allen Lebensbereichen stammen und auch in ihrer Ruhestandsphase noch beruflich aktiv sein wollen. Hauptsächlich werden diese in der Entwicklungshilfe eingesetzt, wo sie auch Ihren Ursprung fanden, heute aber auch vermehrt in Deutschland.

Wie funktioniert die SES Datenbank. Wer fordert diesen Service an?

Der Kontakt zwischen den Hilfsbedürftigen und Senior Experten wird von dem SES vermittelt. Man bekommt Bewerbung von Ausland, Inland oder entsprechenden Bedürftigen, die die Kriterien erfüllen müssen. Wenn sie den Anforderungen des SES und der Experten entsprechen, wird geklärt wie es um ihre Finanzen steht und wie demnach die Leistungsfähigkeit der Unternehmen oder Bedürftigen ist. Wie auch in seinem Fall, in Indien, ist das Unternehmen in der Regel dafür verantwortlich Flüge, Unterbringungskosten und alle laufenden vor Ort auftretenden Kosten, wie Transport etc., zu übernehmen. Der SES übernimmt die bürokratischen Dinge, wie Visum, Impfungen und Versicherung der Senior Experten. Es kommt jedoch auf die finanzielle Kondition des Unternehmens an. Daher gibt Fälle, in denen die SES alles für ihre Experten bezahlen muss und andere, in denen das Unternehmen alles bezahlen muss, weil es wirtschaftlich potent ist. Es gibt unterschiedliche Wege der Finanzierung. Wenn die Unternehmen die Kriterien erfüllen, sucht der SES entsprechende Leute die infrage kommen und  fragen Senior Experten, ob sie Interesse haben, diese Unternehmen zu betreuen.

Die Senior Experten werden über ihre Interessen befragt, welche Fähigkeiten sie haben, ob sie  im Ausland oder Inland arbeiten möchten, welche Sprachen sie sprechen, diese Daten werden in eine Datenbank eingepflegt. Um die beste Auswahl an Experten für jede Spezifische Arbeit zu finden, helfen auftragsspezifische Kriterien bei der Auswahl.

Der SES spricht mehrere Leute an und schließt mit dem passendem Experten einen Vertrag. Gleichzeitig schließt der SES einen weiteren Vertrag mit der Auftrag gebenden Firma um eine direkte Vertragsbindung zwischen Firma und Experten zu vermeiden. Da auf diesem Weg alles über den SES läuft gibt es weder eine Verknüpfung noch Haftung zwischen Experten und Firma.

Dieser Expertenservice wird auf vielen verschiedenen Gebieten angeboten, nicht nur im Bereich vom Ingenieur- oder Bauwesen, sondern zudem in diversen anderen Bereichen der Wirtschaft und im Bildungswesen, z. B. Nachhilfe- und Sprachlehrer. Jährlich gibt es um die 1000 Einsätze, von denen die Hälfte in Deutschland stattfindet. Dort finden sie zumeist hilfestellend Anwendung beim Unterrichten von Auszubildenden. Lehrlinge, die Probleme haben und demotiviert von ihren Arbeit sind, bekommen einen Senior Experten an ihre Seite gestellt, der ihn coacht, ihn unterstützt, motiviert und auf der Strecke der Ausbildung begleitet.

Wie viele Unternehmen/Lehrlinge haben Sie bis heute schon unterstützt?

Als Designer bekam ich zwei Anfragen, beide von der gleichen Firma, im letzten und in diesem Jahr. Da es keinen anderen Designer im SES Netzwerk gibt, kam nur ich in Frage. Zumal die Beschreibung der Arbeit genau auf mein Profil passt. Ich  konnte dieses Angebot gar nicht ablehnen, da es keinen anderen so passenden Kandidaten für diesen Job gab (lacht).

Wie lang dauerte Ihr Aufenthalt in Indien? Wurden sie gut aufgenommen?

Das erste Mal war ich für fünf Wochen in Goa. Da ich nicht so richtig wusste, wie viel Zeit die Firma für die Angestellten zu Verfügung stellen würde, konnte ich in den fünf Wochen kaum meine Lehrpläne schaffen. Daher haben wir  für dieses Jahr noch sieben Wochen extra eingeplant.

Ja, auf jeden Fall wurde ich gut aufgenommen von den Leute der Firma. Sie haben alles für mich zur Verfügung gestellt: Übernachtung, Verkehrsmittel und Taschengeld für Essen und Kleinigkeiten. Ich war gut versorgt.

Wie funktionierte die Kommunikation zwischen den Indern und Ihnen?

Die meiste Zeit hat sich die Kommunikation etwas schwierig dargestellt. Oft musste ich nachfragen, weil ich die Inder, auf Grund der schnellen unsauberen Aussprache und meiner mangelnden Erfahrung, nicht verstanden habe. In den Zweitanläufen hat es dann aber mit dem Verständnis geklappt, weshalb sich die Sprache schlussendlich nicht wirklich als Problem erwiesen hat. Nur von jeder Aussage die richtige und nicht nur eine ähnliche oder sogar gegensätzliche Bedeutung herauszufiltern, war für beide Seiten immer wieder eine Herausforderung. Zwei Studenten haben mich in dieser Hinsicht jedoch immer wieder unterstützt, mich korrigiert oder mir die richtigen Wörter genannt.

Waren die Leute mit kritischen Meinungen dabei oder haben sie sich eher passiv verhalten?
Das heißt: konnten Sie Diskussionen mit Ihren „Auszubildenden“ führen?

Sie haben alles begierig und interessiert aufgenommen, aber wenig vom kritischen Standpunkt aus betrachtet. Die Dinge wurden nicht wirklich hinterfragt, sondern als der einzig richtige Weg aufgenommen. Das Verständnis, dass meine Ausführung nur eine Möglichkeit von vielen ist, war noch nicht ganz da.

Haben sie Interesse an Ihren Erklärungen gezeigt?

Ja, das Interesse war eindeutig da und auch die Wissbegierde mehr zu erfahren, was nicht viel mit ihrer bisherigen Arbeit zu tun hatte. Auch wenn sich an vielen Stellen die Unselbstständigkeit zeigte, bot sich dennoch immer wieder die Möglichkeit zu angeregten Diskussion.

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… Gestaltung und Herstellung

Sind die indischen Designmethoden geeignet für Produktherstellung in Europa?

Designmethoden konnte ich in dieser Zusammenarbeit keine wirklich feststellen. Ein wenig Kontakt mit Design hatten sie schon, da die Maschinen von einem Designbüro entworfen worden sind. Abgesehen davon hatten die Teilnehmer kein Vorwissen im Bereich Design, da sie auch nicht aus diesem Zweig stammen, sondern verschiedene Entwickler (Bereich Mechanik, Elektronik, Fertigung, etc.) sind. In Indien (bzw. in dieser Firma) hat es stark an Selbstständigkeit, Eigeninitiative und Kreativität gemangelt. Der gesamte Designprozess und somit auch die Methoden beruhen hauptsächlich auf Anweisungen von außen.

Haben Sie die Fertigungsprozesse der Firma besichtigt? Waren die Inder technisch durch die dortigen Maschinen gut versorgt? 

Bei Besichtigungen hat die Fertigung auf mich den Eindruck einer soliden Serienfertigung gemacht. Sie haben zwei Fertigungsstraßen auf denen sie alles von der Waschtrommel bis hin zur Verpackung selbst herstellen. Technisch sah alles recht modern und sinnvoll eingesetzt aus, jedoch sind Arbeitsabläufe, Prozessschritte nicht gut durchdacht, wodurch die Bediener oft uneffektiv eingesetzt werden oder in ihrem Handeln behindert werden.

Wie sehen die Fertigungsabläufe in Indien aus, inwiefern unterscheiden sie sich von deutschen?

Während es in Deutschland meist darum geht Fertigungsprozesse zu verbessern, zu beschleunigen, effizienter zu machen, sind die Inder noch lange nicht an diesem Punkt der Initiative angelangt. In dieser Firma gab es viele Arbeitsschritte, die man den Arbeitern hätte erleichtern können oder sogar ganz entfallen lassen können mit ein wenig mehr Strukturierung. Jeder erledigt seine Arbeiten gut, denkt jedoch nicht weiter, ob es effektiver oder effizienter geht. Zum Beispiel haben Bleche Nasen, die früher wichtig waren, aber in der heutigen Produktion nicht mehr gebraucht werden und die Handgriffe nur erschweren. Anstatt die Bleche ohne Nasen liefern zu lassen, läuft jedoch alles wie bisher weiter. Es gibt noch einige weitere solcher Beispiele. Am Ende des Tages war es zwar wichtig, dass gearbeitet wurde, nicht jedoch, dass eine geforderte Stückzahl erreicht wird.

Wie schätzen Sie die Auswirkung Ihres Trainings für dieses indische Unternehme ein?

Ich denke, ich konnte den Mitarbeitern ein besseres Verständnis für das Design und Designprozesse vermitteln. Die Teilnehmer waren jedoch hauptsächlich Ingenieure, die nichts mit dem Designprozess in ihrer Firma zu tun haben, da sie auf andere Aufgaben spezialisiert sind.

Was haben Sie als wichtige Produkteigenschaften für die Inder wahrgenommen? Beispielsweise Funktionalität, Ästhetik, Nachhaltigkeit. Waren diese Eigenschaften in dem indischen Unternehmen berücksichtigt?

Generell schwer zu beantworten. Der Entwicklungschef dort legt großen Wert auf das Design, während in der Geschäftsführung nur die Markterweiterung eine Rolle spielt, weniger das Design. Insgesamt  jedoch ist ihnen klar, dass das Produkt für Kunden entwickelt wird und somit Design auch eine immer größere Bedeutung bekommt und sie genau deswegen sich weiterentwickeln müssen, designaffiner werden müssen.

…Ihr Interesse an dem SES Projekt teilzunehmen

Was bekommen Sie im Gegenzug (Belohnung) für diese Arbeit? Was bedeutet diese Arbeit für Sie?

Es ist eine ehrenamtliche. Für mich ist es Belohnung, dass ich damit keine Kosten habe und neue Erfahrungen (sprachlich, kulturell, zwischenmenschlich) sammeln kann.

 Vorlage Bilderkombi 2

 

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