Entwurf eines Entwicklungswerkzeugs für Designer am Beispiel von Armlehnen mobiler Baumaschinen
Das Prototyping spielt eine Schlüsselrolle bei der Gestaltung von Mensch-Maschinen Interaktionen (MMI). Es ermöglicht den Entwicklern, Ideen nicht nur zu generieren, sondern auch zu kommunizieren, zu erleben und zu testen. Um eine gute Bedienbarkeit auch in neuartigen Szenarien und technisch komplexen Systemen zu erreichen und ein positives Gesamterlebnis bei der Zielgruppe zu ermöglichen, können mithilfe dessen mögliche Interaktionswege verstanden und verschiedene Ansätze auf ihre Stärken und Schwächen überprüft werden. Das Prototyping erlaubt dementsprechend Unschärfen abzubauen, Risiken zu vermeiden und Potentiale zu entdecken, bevor das Produkt vollständig entwickelt und auf dem Markt zum Kunden gebracht wird.
Die Nähe der prototypischen Umsetzung zum Endprodukt hat dabei einen Einfluss, wie Ideen erlebt und bewertet werden. Unter dem Begriff Fidelity kann diese Nähe mit unterschiedlichen Dimensionen beschrieben werden. High-Fidelity Prototypen können zum Beispiel in ihrer Erscheinung, ihrer Funktionalität oder Interaktionsfähigkeit das Endprodukt bereits sehr gut widerspiegeln. Sie können ohne nötige Transferleistung umfänglich und eindeutig erlebt werden. Durch die Konkretisierung können auch bereits in der frühen Phase Probleme in praxisnahen Situationen offensichtlich werden.
Demgegenüber sind Low-Fidelity Prototypen durch das Entwicklungsteam in ihren Produkteigenschaften eingeschränkt, um den Entwicklungsaufwand gering zu halten oder eine Flexibilität und Evolutionsfähigkeit in der Weiterentwicklung zu erlauben. Testprobanden kompensieren – bewusst oder unbewusst – fehlende Produkteigenschaften, indem sie Aspekte nach ihrem Erwartungsbild ergänzen. Im Ergebnis kann deren Bewertung zu positiv oder zu negativ gegenüber dem tatsächlichen Prototyp oder dem angestrebten Endprodukt ausfallen.
Philipp Spiridi hat sich dieser Thematik in seiner Diplomarbeit genähert und Prototypen für eine modulare Bedienarmlehne entwickelt. Dabei hatte er zum Ziel, moderne Technologien und bestehenden Prototypenmethoden in ein Werkzeugset zu bündeln, um das Prototyping für Benutzerschnittstellen mobiler Arbeitsmaschinen zu erleichtern. Damit wird ermöglicht mit weniger Aufwand, kleineren Einstiegshürden und schließlich auch in deutlich schnellerer Zeit, High-Fidelity Prototypen aufzubauen.
Dazu untersuchte er verschiedene Herangehensweisen des Prototypings in den verschiedenen Phasen der Produktentwicklung. In einem Workshop wurden unter Berücksichtigung der Prototypingzwecke die einzelnen Vor- und Nachteile anhand eines Praxisbeispiels erlebt und Potentiale der Verbesserung identifiziert.
Der Paper-Prototyp wird in der Ideenfindungsphase eingesetzt, um schnell und kostengünstig Konzepte zu entwickeln und zu kommunizieren. Trotz seiner Vorteile wurde festgestellt, dass er für die Armlehne in Bezug auf die räumliche Dimension und die Eindeutigkeit limitiert ist.
Das Projection Mapping zeigt sich als flexibles Werkzeug, das mit ähnlich geringen Hürden in verschiedenen Phasen der Prototyp-Entwicklung eingesetzt werden kann, insbesondere als Kombination um fehlende visuelle Eindrücke zu ergänzen. Auch durch die Möglichkeit Varianten digital vorzubereiten, abzuleiten oder abzuspeichern und mit weiteren digitalen Inhalten zu ergänzen, zeichnet sich diese Methode aus.
Das Physical Mock-Up bremste trotz eines vereinfachten Steck-Systems mit vorbereiteten Modulen zwar den Flow der Ideengenerierung, ermöglichte aber durch die Haptik und die räumliche Anordnung eine tiefere Auseinandersetzung mit der Interaktion physischer Bedienelementen.
Die größten Unschärfen blieben bei den tatsächlichen Interaktionsabläufen. Um User Flows nachzuvollziehen, ist es notwendig eine Systemreaktion abzubilden. Niederschwellig können zwar Wizard of Oz Techniken verwendet werden, bei der anstatt einer technischen Implementierung ModeratorInnen (Wizards) im Hintergrund die Antworten und das Verhalten steuern. Dennoch erscheint der Sprung zu funktionalen Prototypen sehr groß. Dieser Lücke widmete sich Philipp Spiridi in der weiteren Ausarbeitung.
Als Ergebnis entstanden modulare Bedienelemente, die flexibel und ohne weitere Programmierung auf einer Trägerplattform kombiniert werden können. Integrierte Arduinos und Sensoren interpretieren die Eingaben und stellen sie über eine API für die HMI LAB Umgebung oder Plattformen wie Protopie für das prototypische Erstellen von Grafischen Benutzerschnittstellen (GUI) zur Verfügung. Die einzelnen Module und die implementierte Signallogik auf Basis von I2C sind für geübte Entwickler leicht erweiterbar oder anpassbar. Für Ungeübte steht eine Plug and Play Lösung für funktionale Bedienelemente zur Verfügung. Diese können als Baustein für das Explorieren multimodaler Interaktionskonzepte genutzt werden und fördern das Überführen von Ideen in, wie sie mit dem Methodenenset („Bedienumgebung multimodal denken“ https://technischesdesign.mw.tu-dresden.de/blog/bedienumgebungen-multimodal-denken/) theoretisch beschrieben werden. Wir sind gespannt, ob es bei der Gestaltung von Mensch-Maschinen Interaktionen auch dazu führt, schneller, lösungsorientierte und sichere Entscheidung zu treffen. Wir freuen uns auf den Einsatz.