Was kommt eigentlich nach dem Studium? Was kann man mit einem Abschluss als Technischer Designer so machen? Um euch die vielfältigen Möglichkeiten eines Technischen Designers zu zeigen, werden wir hier in unregelmäßigen Abständen einige unserer Absolventen vorstellen. Den Start macht Benno Reichard, der vor einem Jahr den Sprung in die Selbstständigkeit getan hat.
Benno – 1980er Jahrgang – ist in Dresden aufgewachsen und hat hier auch studiert. Seit 2009 lebt er, mittlerweile mit seiner Familie mit zwei Kindern, in Zürich.
Benno, womit beschäftigst du dich gerade den größten Teil deiner Zeit?
Mit dem Design und der Entwicklung textiler Anwendungen und dem weiteren Ausbau meiner Selbständigkeit. Das bedeutet Akquise neuer Kunden und Anstoßen von Kollaborationen.
Welches ist dein Lieblingsobjekt/-gegenstand?
Fahrräder, Rucksäcke, Schuhe.
Welche Designer/Stile haben dich bis jetzt am meisten geprägt und warum?
Dieter Rams mit seinen zehn Thesen für gutes Design.
In welchem Zeitraum hast du dein Studium absolviert und welche Projekte und Praktika während dieser Zeit gemacht?
Meine Studienzeit ging insgesamt von Herbst 2001 bis Sommer 2009. Mein erster Entwurf war ein dezenter Salbenspender (2003). Danach schloss sich zweites Semesterprojekt an – eine Interieur-Studie für ein Ultraleichtflugzeug (2004). Ich habe dann zwei Erasmussemester an der Université de Bordeaux und der École des Beaux Arts de Bordeaux (2004/05) verbracht. Anschließend war ich im Praktikum, sechs Monate bei Held + Team in Hamburg und war dort vor allem mit Medizintechnik-Themen beschäftigt (2006/07). Daraus entstand auch meine interdisziplinäre Projektarbeit: ein innovativer Handgriff für eine laparoskopische Zange für Olympus (2007). In meinem Großen Beleg entwarf ich für Daimler Nutzfahrzeuge einen Tisch und eine Notebook-Halterung für ein LKW-Interieur (2008). Mein Diplomentwurf war eine Hose mit integriertem Sitzgurt für das Sportklettern für Mammut (2009). Die dann auch 2012 auf den Markt kam.
Welche Stationen hast du nach deinem anschließenden bisherigen Berufsleben durchlaufen und welche Aufgabenfelder hast du dabei durchschritten?
Im Anschluss an meine Diplomarbeit, die ich bei Mammut in Seon, Schweiz, absolvierte, wurde ich direkt von Mammut übernommen. Dort arbeitete ich von 2009 bis 2016. Zu meinen Hauptaufgaben zählten das Design und die Entwicklung textiler Bergsportausrüstung. Während dieser Zeit spezialisierte ich mich auf die Entwicklung textiler Persönliche Schutzausrüstung (PSA). Durch meine Ausbildung konnte ich den gesamten Produktentwicklungsprozesses der PSA vom Konzept bis zur serienreifen Umsetzung durchführen und betreuen.
Mir war dabei eine starke Einbeziehung der Endnutzer besonders wichtig. Außerdem war meine Tätigkeit durch eine enge Zusammenarbeit mit externen Produzenten geprägt. Das Testing, also Zug- und Fallprüfungen etc. der Entwicklungen habe ich auch mitbegleitet und durchgeführt. Das Erstellen von Fertigungszeichnungen gehörte ebenso zu meinen Aufgabenfeldern wie die Zertifizierung der textilen PSA. Ich war auch damit betraut einen Qualitätssicherungsprozess dazu zu definieren und in den jeweiligen Normungsgremien (CEN, UIAA) aktiv mitzuarbeiten.
Bei Mammut durchlief ich in dieser Zeit drei Karrierestufen: zunächst startete ich als Junior Designer und Entwickler. Dann wurde ich zum Designer und Entwickler und mir wurde zusätzlich die Führung einer Prototypen-Schneiderin übertragen. Als Senior Designer und Entwickler kam dann die weitere Verantwortung als Leiter der Seilentwicklung und des Prüflabors (Entwicklungs- und QS-Prüfungen) hinzu.
Die zweite Station meiner Karriere ist meine Selbständigkeit mit REICHARD design (offiziell seit Mai 2017). Ich bin spezialisiert auf textile technische Anwendungen und biete ein Paket aus Design, Entwicklung, Engineering und Beratung als Dienstleistung an. Meine bisherigen Kunden sind Mammut Hardware, Mammut Innovation, sowie Stubai und SmartRidr. Außerdem arbeite ich gerade an eigenen textilen und nachhaltigen Produkten.
Hast du dir währenddessen Auszeiten gegönnt?
Ja, ich habe ein Jahr Auszeit genommen von 2016 bis 2017: sechs Monate habe ich mit meiner Familie eine Europa-Rundreise in einem VW-Bus gemacht. Das war eine einmalige Erfahrung und für uns der ideale Zeitpunkt als Familie. Danach nahm ich mir etwas Zeit zur Orientierung und baute meine Selbständigkeit innerhalb eines halben Jahres auf.
Wie kam es schlussendlich zu der Entscheidung für deine aktuelle Position?
A. Mein Wunsch nach möglichst selbstbestimmtem Arbeiten und größerer Vielfalt der Anwendungsfelder.
B. Durch die eigene Überzeugung, dass erstens die spezialisierte Erfahrung/Fachkenntnis zu textilen technischen Anwendungen und zweitens auch die mittlerweile gefestigte strukturierte Arbeitsweise als Grundlage für eine Selbständigkeit ausreichen.
C. Dank der vorherigen Auszeit war ausreichend Mut, Energie und Selbstbewusstsein dazu vorhanden, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Wie haben sich diese Arbeiten von denen aus dem Studium unterschieden?
Meine Projekte laufen fast immer inklusive direkter Umsetzung mit den späteren Produzenten. Dadurch erhalte ich stets eine unmittelbare Rückmeldung über die Herstellbarkeit und Optimierungsmöglichkeiten meiner Entwicklungen. Auch die starke Einbeziehung der Endnutzer durch Validierungsphasen in der Produktentwicklung konnte ich während meines Studiums noch nicht so stark realisieren. Meistens werden Entscheidungen bezüglich Gestaltung und Verarbeitung während des Prozesses viel schneller getroffen als ich es aus dem Studium gewohnt war. In der Selbständigkeit kommt neben der Geschäftsführung auch viel zusätzliche Kommunikation zu meiner eigentlichen Tätigkeit als Designer und Entwickler hinzu, sowohl über den Begriff »Design« und was dieser beinhaltet (neben der rein formalen Gestaltung) als auch die Vorgehensweise und notwendige Schritte im Designprozess.
Rückblickend auf dein Studium, welche Module, Kurse, Projekte haben dich am besten auf das Arbeitsleben vorbereitet oder dir geholfen dich weiterzuentwickeln?
Alle Entwurfsprojekte zum Erlernen einer Entwurfsmethodik und zur Entwicklung von einem nötigen Mut zur Ganzheitlichkeit trotz vieler unbekannter Parameter haben mir dabei sehr geholfen.
Auch auf einen großen Teil der technischen Grundlagen der Ingenieurwissenschaften (Grundstudium) greife ich bis heute zurück. Beispielsweise beim Erstellen von technischen Zeichnungen als Basis für Spezifikationen und für Pläne, nach denen später ein Produzent möglichst sicher und interpretationsfrei die eigenen Vorgaben und Wünsche umsetzen kann.
Welchen Tipp würdest du heute deinem jüngeren Ich mit auf den Weg geben?
So viele Kurzzeitprojekte wie möglich machen! Und so viel wie möglich ausprobieren und experimentieren mit den verschiedensten Materialien.
Benno, vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen und den ausführlichen Einblick in deinen spannenden Werdegang!